Restrukturierungstools, wer kennt sie noch?

Wer kennt nach Jahren des „billigen Geldes“ und von alleine auf Wachstum ausgelegten Bewertungen noch Themen wie „Kosten senken“, „Nettoumlaufvermögen optimieren“ oder „Capex hinterfragen“?

Immer mehr Unternehmen können inzwischen die Corona-Darlehen nicht oder nicht mehr vollständig bedienen. Das verfügbare EBITDA wird aufgrund von Umsatzrückgängen und/oder Kostensteigerungen immer geringer und muss zudem für deutlich höhere Zinsen verwendet werden.

Strategieprozesse sind für ein Gegensteuern aufgrund des zeitlichen Vorlaufs oft nicht mehr zielführend. In vielen Fällen werden zur Sicherstellung der Liquidität die Reserven aus den guten Jahren angegriffen (sofern sie überhaupt vorhanden sind). Auch werden nicht betriebsnotwendige Vermögensgegenstände veräußert. Gerade bei Immobilien sind derzeit nicht mehr die Preise der Vorjahre zu realisieren. Im Worst Case ist bei eingetretenen Verlusten, knapper Liquidität und fehlenden Investorengeldern eine weitere Finanzierung über Fremdkapital erforderlich. Und hier werden schon für tot geglaubte Themen relevant wie „positive Fortführungsprognose“ oder „IDW S6-Gutachten“, nicht immer mit erfolgreichem Ausgang.

Um diese bedrohliche Lage zu vermeiden bzw. zu beenden, empfiehlt sich ein Blick auf fast verschollen geglaubte Restrukturierungstools. Dies beginnt mit der grundsätzlichen Anpassung des Businessplans an die neuen Realitäten. Viele Kosten werden das Niveau vor dem Beginn des Kriegs in der Ukraine nicht mehr erreichen, auch wenn in Einzelbereichen die Beschaffungspreise inzwischen wieder rückläufig sind. Auch Umsätze werden sich mehrheitlich eher seitwärts oder abwärts bewegen. Das führt zu der häufig lange nicht mehr gestellten Frage, welche Geschäftsfelder, Sparten, Kunden etc. sich eigentlich „rechnen“? Das Gleiche gilt für die Capex-Planung mit ganz anderen Kapitalkosten als noch vor 2 Jahren. Und auch Make or Buy ist nicht nur angesichts fehlender Fachkräfte, sondern auch von erheblich steigenden Lohnkosten – man beachte nur die gerade erfolgten bzw. in Diskussion befindlichen Tarifabschlüsse – aktueller denn je. Eine systematische Überprüfung des Nettoumlaufvermögens wurde angesichts sehr geringer Zinssätze bei vielen Unternehmen ebenfalls über lange Zeit vernachlässigt. Für das Wachstumsziel wurden lange Kundenzahlungsziele und hohe Bestände nahezu zur Selbstverständlichkeit. Und wer erinnert sich noch an eine Potentialanalyse der Sachkosten auf Basis „Zero Base“? Die sogenannten Quick Wins, hier sind sie möglich.

Viele Restrukturierungstools sind in der langen Boomphase in Vergessenheit geraten bzw. waren in der Kommunikation an Gesellschafter und Investoren unattraktiv. Nun sind sie wieder mehr als erforderlich, nicht nur um Ergebnis und Liquidität zu sichern. Auch Unternehmenswerte lassen sich nicht nur über Wachstum, sondern auch ganz altmodisch über die Anpassung von Kosten, Investitionen und Nettoumlaufvermögen steigern.

 

Ansprechpartner:
Dr. Jan Clasen, clasen@mt-gmbh.de
Telefon +49 89 18939989

 

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