Überraschung! Morgen ist die Kasse leer

Ein Beitrag von Dr. Markus Brixle

Der BGH hat die Kriterien klar formuliert: Ein Unternehmen ist zahlungsunfähig, wenn innerhalb eines Zeitraums von 3 Wochen mindestens 10 % der fälligen Verbindlichkeiten nicht beglichen werden können. Während Zahlungsunfähigkeit eine Insolvenzlage darstellt, löst eine Zahlungsstockung noch keine Insolvenzantragspflicht aus. Gleichwohl kann bereits bei Zahlungsstockung eine Krise vorliegen, die rechtliche Konsequenzen für Unternehmen und u.U. auch Haftungsthemen für deren Geschäftsführer nach sich zieht. Eine bloße Zahlungsstockung ist anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den ein kreditwürdiges Unternehmen benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür erscheinen drei Wochen erforderlich, aber auch aus Sicht der Rechtsprechung als ausreichend.

So weit, so gut und meistens auch bekannt. Doch was sich hinter der trockenen Formulierung der Zahlungsunfähigkeit verbirgt, ist nicht nur für Krisenunternehmen häufig von existenzieller Bedeutung. Der Sprengstoff liegt in der Frage, ob die fälligen Verbindlichkeiten zu einem Stichtag rechnerisch bedient werden können, d.h. es müssen ausreichend Barmittel oder freie Linien zur Verfügung stehen. Da hilft auch nicht, dass unter Umständen ein Vielfaches an (fälligen) Forderungen in den Büchern steht und deshalb auch die fälligen Verbindlichkeiten „geschoben“ werden können. Dieser sogenannten Bugwellen-Theorie hat erst kürzlich der BGH eine klare Absage erteilt. Es geht ausschließlich darum, ob mindestens 90 % der fälligen Verbindlichkeiten zu einem Stichtag X bedient werden können (nicht müssen). Ist dies nicht der Fall, dann muss aufgezeigt werden, wie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden kann und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist. Mit anderen Worten: Ist die Zahlungsunfähigkeit erstmal festgestellt, wird der Handlungsspielraum verdammt knapp.

Jetzt mag man sich denken, das trifft doch nur die krisengeschüttelten, ertragsschwachen Unternehmen. Ja, diese sind latent immer gefährdet; aber auch gerade stark wachsende Unternehmen können in die Cash-Falle laufen. Die Gründe hierfür sind vielfältig. So sind häufig die KK- und Avallinien bereits voll ausgeschöpft (schließlich muss das Wachstum ja finanziert werden) sowie die Zahlungsziele bei den Lieferanten ausgereizt. Da wird dann auch schnell fehlinterpretiert, dass die 15 Tage über dem vereinbarten Zahlungsziel des Lieferanten schon nicht so schlimm sind, schließlich hat man dies ja immer schon so gehandhabt. Achtung: Bei Feststellung eines Liquiditätsstatus sind die schriftlich dokumentierten Zahlungsziele relevant, d.h. Verbindlichkeiten über dem Zahlungsziel sind fällig und müssen rechnerisch bedient werden können, schwierig bei ausgeschöpften Linien. Jetzt kommt auch noch der eingeplante Zahlungseingang aus der Forderung nicht (der Kunde betreibt seinerseits Liquiditätsmanagement oder macht einen Claim auf), und ganz plötzlich ist unser Unternehmen nach o.g. Definition zahlungsunfähig. Kein Problem, wenn sich das kurzfristig beseitigen lässt, gefährlich wird es jedoch, wenn in dieser Situation wirklich frisches Geld benötigt wird. Banken sind in einer solchen Situation die Hände gebunden und um in Verhandlungen mit Lieferanten zu gehen, ist es meist zu spät. Es ist überraschend, wie unwissend Management, Gesellschafter, Beiräte, ja selbst Banken in dieser Situation sind. Standen doch bei den monatlichen Berichten bisher alle Zeiger auf grün, leider hat man sich nur den Ertrag angeschaut. Verschärft wird die Situation meist durch fehlende Transparenz zur wirklichen Situation. In dieser Phase sind Gesellschafter häufig gefordert, ins Blaue hinein frisches Geld zu geben, um die Situation zu stabilisieren. Erst danach kann dann mit den Finanzierungspartnern auf Basis eines umfangreichen Konzeptes die Finanzierung neu geordnet werden – manchmal leider auch nicht.

Folgende Maßnahmen helfen, die skizzierte Situation zu vermeiden oder zumindest im Fall der Fälle im Griff zu haben:

  • Sensibilisierung Management und relevante Stakeholder zur Relevanz der Thematik - „Wachstum begeistert, aber muss auch finanziert werden“
  • Schaffung von Transparenz zur Liquiditätssituation - „cash is fact, profit is an illusion“
  • Liquiditätssteuerung mit den entsprechenden Instrumenten (z.B. Erstellung einer kurzfristigen rollierenden Liquiditätsplanung)
  • Frühzeitige Einleitung von Maßnahmen zur Liquiditätssicherung wie Neuverhandlung Zahlungsziele, frühzeitige Erhöhung der Linien für Wachstum, Working Capital Optimierung etc. - schließlich hilft es, „immer genügend Wasser unterm Kiel zu haben“

MT hat zahlreiche Unternehmen in schwierigen Situationen begleitet, leider häufig erst dann, wenn die Kasse (fast) leer war. Gerne helfen wir auch dabei, negative Überraschungen im Vorfeld zu vermeiden.

Zurück